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Autor Thema: Jugendmedienschutz-Staatsvertrag  (Gelesen 881 mal)
Dirk Remmecke
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« Antworten #60 am: Dezember 15, 2010, 16:10:00 »
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Dafür drehen die Japaner gerade völlig am Rad:

http://www.emania.de/?news=2499

Die Tokioter Lokalregierung hat einen Gesetzentwurf durchgewunken, der die Spielregeln, nach denen Manga und Anime in Tokio vertrieben werden dürfen, komplett auf den Kopf stellt: Eingebracht wurde es als "Anti-Loli-Gesetz" (keine Darstellung minderjährig erscheinender Figuren bei Handlungen, die als unsittlich gedeutet werden könnten), aber im weiteren Verlauf wurde es so stark verwässert, dass es zu einem Anti-Otaku-Gesetz (gegen jede Andeutung von pseudo-Erotik und Gewalt, allerdings nur in gezeichneter Form, denn Realfilm und Prosatexte sind ausdrücklich ausgenommen) geworden ist, das potenziell das Aus auch für harmlose Abenteuer-Manga und -Anime in sich birgt. Besonders pikant ist, dass es politischen Widerstand gegen einen Passus gab, der reale Fotos von Kinderpornografie unter Strafe stellt und dieser Passus wohl aus dem Gesetz gestrichen wurde...

Da alle wichtigen Anime-Messen in Tokio stattfinden und alle Verlage dort ansässig sind, ist dies fast so einschneidend wie ein nationales Gesetz.
Fast alle Verlage werden der nächsten TAF (Tokyo Anime Fair) fernbleiben - das ist ungefähr so, als ob alle Computerspielfirmen die Games Com in Köln boykottieren würden, wenn in Deutschland ein neues Anti-Computerspiel-Gewalt-Gesetz drohen würde.
Oder ob alle Filmvermarkter die großen Festspiele (Berlinale) boykottieren würden, weil es eine neue FSK-Einstufung geben soll...
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MONDBUCHSTABEN | 2.0
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Oger
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« Antworten #61 am: Dezember 15, 2010, 17:02:49 »
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Man unterstreiche, es war schwarzgelb, die den JMSTVG plötzlich nicht mehr wollten. Wie der Wind eben weht ... aber rotgrün ist auch nicht besser.

Ich bin zwar kein Manga - Fan, aber das ist schon sehr schräg. Gibts da mehr Hintergründe zu?
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Karsten
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« Antworten #62 am: Dezember 15, 2010, 22:03:49 »
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Man wünschte sich, am Ende des Gesetzgebungsprozesses würde das Dokument noch mal mit dem ursprünglichen Ziel verglichen. Aber zu diesem Zeitpunkt geht es nur noch um Gesichtswahrung - wie beim Gesundheitsfond, den NIEMAND gut fand, aber dennoch alle zustimmten. Weil ja das Finden eines Kompromisses so schwer war  BangHead
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Dirk Remmecke
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« Antworten #63 am: Dezember 16, 2010, 10:59:28 »
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Ich bin zwar kein Manga - Fan, aber das ist schon sehr schräg. Gibts da mehr Hintergründe zu?

Wir versuchen noch, an verlässliche Infos zu kommen. Im Moment gibt es nur "Stille Post", weil das Geweine der Fans sich auf Übersetzungen aus dem Englischen bezieht.

In chronologischer Reihenfolge:
http://www.sankakucomplex.com/2010/11/21/tokyo-loli-ban-now-total-hentai-ban/
http://www.animenewsnetwork.com/news/2010-12-08/kadokawa-cancels-its-tokyo-anime-fair-display
http://www.animenewsnetwork.com/news/2010-12-10/10-manga-publishers-to-boycott-tokyo-anime-fair
http://www.sankakucomplex.com/2010/12/10/10-publishers-boycott-taf-ishihara-just-keeps-lying/
http://www.sankakucomplex.com/2010/12/12/tokyo-anime-fair-before-after/
(Vorsicht, die Sankuracomplex-Seite enthält Banner und Anzeigen, die NSFW sind.)

Es sieht so aus, als ob das nicht nur die japanischen Verlage, sondern auch die deutschen Lizenznehmer eiskalt erwischt hat. Eine besonnene Stimme ist das hier.


 

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Dirk Remmecke
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« Antworten #64 am: Dezember 17, 2010, 13:52:57 »
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Mehr zu Tokio:

Wir haben mit dem Kulturbüro des japanischen Generalkonsulates in Düsseldorf gesprochen, um uns eine Einschätzung der Vorgänge geben zu lassen. So viel wissen die ehrlich gesagt auch nicht, aber sie haben uns einige Erkenntnisse über den Jugendschutz in Japan geben können:
Es gibt keinen.

In Japan (und sogar auf Veranstaltungen des Generalkonsulates in Düsseldorf) nehmen Eltern ihre Kinder mit in Takeshi Kitano-Filme (Hanabi), Godzilla-Filme, die bei uns ab 12 sind, gelten dort als Kinderfilme, und es gibt wenige bis gar keine gesetzlichen Regelungen (außer den bekannten Verpixelungen bei erotischem Material).
Dieses neue Gesetz scheint eher in Richtung unserer FSK-Regeln abzuzielen, und dass nun die Verlage kollektiv dagegen aufbegehren, hat wohl eher traditionelle Gründe (falsch verstandene Meinungs- und Kunstfreiheit); genau wie die japanischen Eltern nicht verstehen, wenn das Kulturinstitut die Kinder nicht in harte Actionfilme reinlassen will.

Dass japanische Verlage nun die Schere im Kopf ansetzen und bestimmte Inhalte von ihren Zeichnern nicht mehr sehen wollen (mit bizarren Reaktionen: keine Schuluniformen mehr?), ist wirtschaftlich verständlich (vergleichbar der Kürzung eines Hollywood-Films, damit er bei uns noch eine FSK12 bekommt), aber auch riskant.
Wenn die Inhalte der Fan-Lieblingsserien verlagsseitig so verharmlost werden, dass die Fans ganz das Interesse verlieren. (Wie wird es sich auf den Verkauf von Ikki Tousen auswirken, wenn die DVDs nur noch in entsprechend gekennzeichneten „Schmuddelecken“ liegen dürfen?)

Unsere Medien sind auch schon drauf aufmerksam geworden:
http://rundschau-online.de/html/artikel/1292406903874.shtml
http://www.templaworld.net/2010/12/14/tokyo-anime-manga-bann/

Der bizarrste Beitrag ist dies hier:
http://board.emania.de/showthread.php?tid=540&pid=17806#pid17806
Zitat
In koeln ist einer vorn zug gesprungen weil dieses gesetz durchkam. Ich und mein kolege war auf den weg zur uni miot den zug da mussten wir umkehren weil ein ohr nicht gefunden wurde, haben uns later informiert in sein sterbe brief war hauptsachlich das gesetz der grund komich dasses nicht in den nachrichten erschienen ist
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« Antworten #65 am: Dezember 17, 2010, 14:01:53 »
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Ich erinnere mich an eine Kinovorführung in Deutschland von "Im Reich der Sinne", wo in einer Ansprache nochmal auf die Artd er Inhalte hingewiesen gemacht wurde. Hat die japanische Familie mit Kindern im jungen Teenager-Alter nicht gestört. Sehr merkwürdig.

Ikki Tousen ist in Frankreich übrigens als Kinderserie bekannt und geniesst Kultstatus. Lief vor 20 Jahren - natürlich entsprechend gekürzt - im Frühstücksfernsehen.
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« Antworten #66 am: Dezember 17, 2010, 19:14:59 »
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@ Dirk: Danke.

@ Ghoul: Japaner sind in vielen Dingen VÖLLIG anders sozialisiert. Erst seid dem 2. Weltkrieg kommt es immer wieder zu Einschränkungen des Rotlichtmilieus, auch Homosexualität wird nicht mehr überall gerne gesehen. Es scheint einen Drang zu geben, sich diesbezüglich der christlich-abendländischen Kultur anzugleichen. Aber dennoch: Es gibt Automaten, aus denen man getragene Schulmädchenwäsche ziehen kann, S&M-Clubs sind weiter gut besucht und gelten nicht als abnorm, Pornos werden unverschlüsselt ausgestrahlt.

Mir kommt es ein bischen so vor, als ob Japans Oberschicht den Bezug zu einer Jugend verloren hat, und sie nicht mehr versteht, und man nun durch Regulation einige Dinge in den Griff bekommen will. Hohe Jugendarbeitslosigkeit, extreme Suizidraten, halblegale Jugendsubkulturen wie die Bosozuko etc. Aber ich bin alles andere als ein Japan-Kenner; es mag auch völlig andere Gründe geben.

« Letzte Änderung: Dezember 18, 2010, 11:00:44 von Oger » Gespeichert

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« Antworten #67 am: Dezember 21, 2010, 09:27:55 »
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www.sueddeutsche.de berichtet:
Zitat
Budapest, Ungarn, 20. Dezember 2010

Demonstranten protestieren in Budapest gegen ein neues Mediengesetz, das von der Mitte-Rechts-Regierung am Montagabend verabschiedet werden sollte. Das neue Gesetz legt die Kontrolle über die Medien in Ungarn in eine neue Behörde, die NMHH, die neben privaten Fernseh- und Rundfunksendern auch Zeitungen und Internetportale überwachen soll und keiner parlamentarischen Kontrolle unterliegt. Die privaten Medien können von der NMHH mit hohen Geldstrafen belegt werden, wenn sie mit ihren redaktionellen Inhalten gegen vage definierte Vorschriften verstoßen. Kritiker im In- und Ausland betrachten das neue Mediengesetz als Instrument der Pressezensur.
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« Antworten #68 am: Dezember 21, 2010, 11:09:00 »
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@ Ghoul: Japaner sind in vielen Dingen VÖLLIG anders sozialisiert. (...) Es scheint einen Drang zu geben, sich diesbezüglich der christlich-abendländischen Kultur anzugleichen. Aber dennoch: Es gibt Automaten, aus denen man getragene Schulmädchenwäsche ziehen kann, S&M-Clubs sind weiter gut besucht und gelten nicht als abnorm, Pornos werden unverschlüsselt ausgestrahlt.

Das sind Ammenmärchen, die man gerne im Westen erzählt, um ein Asterixisches "Ils sont fous, les japonais" zu äußern. Hier aus den sichtbaren Andersartigkeiten zu schließen, dass sie die Allgemeinheit beträfen, ist so, als würde man sagen, alle Amerikaner läsen Superheldencomics.

Ja, diese Auswüchse gibt es (und noch ganz andere, wie das U-Bahn-Grabschen), aber das sind selbst nach Interpretation der Normalo-Japaner Geschmacksverirrungen. Akihabara/Electronic Town ist Otaku-Land und für den Durchschnittsjapaner ein exotisches, anrüchiges Disneyland.

Genau wie die angebliche Anime- und Manga-Vernarrtheit so nicht stimmt. In den U-Bahnen sieht man eben höchst selten Hausfrauen und Geschäftsleute, die in Mangas blättern.
Wenn man in einen japanischen Supermarkt geht (oder einen der 7/11-Läden), ist die Zeitschriftenauslage genau so groß wie bei uns bei Penny, Edeka oder Real - mit einem ähnlich großen Anteil an Manga-Magazinen (die tatsächlich den Umfang eines Telefonbuches haben). Hier konzentriert man sich wie bei uns auf die drei, vier extrem erfolgreichen Titel (vergleichbar Micky Maus, Asterix, Lustige Taschenbücher, W.I.T.C.H.).
Alle Magazine, die auch nur ansatzweise Erwachsenen-Material enthalten, sind mit Bindfaden so kunstvoll verknotet, dass es nicht möglich ist, einen Blick hineinzuwerfen.
Es gibt eine Vielzahl an Manga-Serien in Japan, aber diese werden in Buch- und Comichandlungen verkauft - und in den Second-Hand-Buchhandelsketten, die enorm erfolgreich sind. Die Läden der Boof-Off-Kette sind gestaltet wie normale Buchläden, über x Stockwerke, und die gebrauchten Bücher sind spottbillig (10-20% des Neupreises) und zumeist sehr gut erhalten. (Da findet man sogar Rollenspiele...)

Und ob Pornos unverschlüsselt ausgestrahlt werden, weiß ich nicht; ganz sicher sind sie verpixelt, weil der japanische Jugend- und Erwachsenenschutz diesbezüglich keinen Spaß versteht.

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« Antworten #69 am: Dezember 21, 2010, 15:11:07 »
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Stimmt es denn, dass Mangas oft als Lehrmittel eingesetzt werden?
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« Antworten #70 am: Dezember 21, 2010, 19:57:08 »
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Stimmt es denn, dass Mangas oft als Lehrmittel eingesetzt werden?

Mangas im Sinne von Piktogramm-Bildfolgen sieht man überall, in Bedienungsanleitungen, im Straßenverkehr, usw.

Und es ist auch so, dass Maskottchen jeder Art (z.B. auf Frühstücksflockenpackungen oder auf Speisekarten) im Manga-Stil gehalten sind - einfach weil das der typisch japanische Zeichenstil ist.

Mit meiner Küchentischphilosophie erkläre ich mir das so: die japanische (eigentlich chinesische...) Schrift ist aus figürlichen Darstellungen abgeleitet. Man ist es gewohnt, in grafischen Darstellungen zu denken/lesen.
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« Antworten #71 am: Dezember 21, 2010, 22:40:11 »
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Ja, so wie das A aus einem Stierkopf kam oder so?

Nee, ich hab mal gehört, dass es viele Mangas mit Alltagsthemen gäbe, die der Bildung dienten.

Nachtrag: Alphabet
« Letzte Änderung: Dezember 22, 2010, 08:18:43 von r0tzl0effel » Gespeichert
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« Antworten #72 am: Dezember 22, 2010, 07:30:00 »
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Hm, sieht ganz so aus, als wehe der Wind wirklich immer rauher...
Wenn man sich die diesbezüglichen Ereignisse der letzten Jahre anguckt, vor allem die diversen Gesetzesinitiativen fast überall in der westlich-orientierten Welt... was soll man da noch sagen?...  Pinkel
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« Antworten #73 am: Dezember 22, 2010, 08:34:23 »
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 Coesfeld "Terrorismus".
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« Antworten #74 am: Dezember 22, 2010, 10:43:05 »
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Ja, so wie das A aus einem Stierkopf kam oder so?

Nee, ich hab mal gehört, dass es viele Mangas mit Alltagsthemen gäbe, die der Bildung dienten.

Meinst du sowas?

Ja, das gibt es. Aber das findet man nicht am Kiosk, sondern im Buchhandel.

Zitat
Nachtrag: Alphabet

Ja, wobei es einen großen Unterschied zwischen westlichen Buchstaben und japanischen Kanji gibt - bei uns ist die Ausgangsform verloren gegangen, der Buchstabe steht wirklich nur für den Laut. In Japan gibt es für ähnliche Silben x verschiedene Schreibweisen, je nachdem, zu welchem Wort die Silbe gehört. Und diese Vielzahl an Zeichen kann man sich nur merken, indem man die Herkunft als Eselsbrücke benutzt. In vielen Zeichen kann man den Ursprung noch erkennen:

Boden (im Sinne von Erdboden):   土   
Da steht etwas auf der Erdoberfläche.

Aus der Mehrzahl von Baum  木  wird Wald  森林.

Japanische Kinder lernen jeden Tag in der Schule neue Schriftzeichen - bis zum Ende der Schulzeit 2136.
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