In Frankreich haben die Magazine ja einen ganz anderen Stellenwert und vor allem eine ganz andere Geschichte. Während es in Deutschland gerade mal ein paar Fanzines gab und die Windgeflüster die Speerspitze der deutschen Rollensspielmagazine darstellte, wurde man als französischer Rollenspieler schon mit richtig guten Produkten beglückt.
Mit den richtig guten Produkten gehe ich ja d'accord, aber
Windgeflüster ... die
Speerspitze? Ich habe in dem Magazin meine ersten journalistischen Gehversuche gemacht und bin der GFR in Nostalgie verbunden, aber zur Zeit der
Windgeflüster hat es mit der
ZauberZeit ein in jeder Hinsicht professionelles Produkt gegeben, und auch die etwas später entstandene
WunderWelten (die ich persönlich in den ersten 20, 30 Ausgaben schwächer als die ZZ empfand) und die
Spielwelt (von der Zeit, in der sie Farbcover erhalten hat, bis zu ihrem spurlosen Aufgehen in der WuWe) waren professionelle, gute Magazine. Lediglich die
Fantasywelt hat sich für mich nie aus ihrem Fanzine-Dasein befreien können, obwohl auch sie am Bahnhofskiosk zu finden war.
Frankreich ist ein sehr merkwürdiges Land, wenn es um Hobbys geht. Comics gelten als "Neunte Kunst", Animes laufen seit den Siebzigern und Achtzigern im Kinder- und Vorabendprogramm und selbst Rollenspiele sind erfolgreicher als bei uns. Ich weiß nicht, ob es einen höheren Pro-Kopf-Anteil an Spielern gibt, aber die existierende Szene ist kauffreudig genug, um eine Vielzahl an Publikationen zu unterstützen - nicht nur Magazine, sondern auch Rollenspielsysteme. Die Sachen sind teilweise erheblich teurer als bei uns, aber es scheint zu funktionieren.
Eine mögliche Erklärung dafür, dass deutsche Magazine nie so
richtig große Auflagen erreicht haben (wobei ich dir zustimme, dass bei uns nie und nimmer irgendein Magazin 100.000 erreicht hätte), kann auch sein, dass wir bereitwillig englisches Material nutzen. In der Blütezeit von
ZZ,
WuWe und
Spielwelt haben deutsche Läden den US-
Dragon als Stapelware geführt und selbst
White Dwarf hat sich besser verkauft als
Spielwelt,
Fantasywelt und
Windgeflüster zusammen! (Obwohl das auch eine regionale Erscheinung gewesen sein könnte - da fehlt mir der bundesweite Überblick.)
Erst durch die Jeux et Strategie, das - und das wird Set freuen - erst als Magazin für Kriegs- und Brettspiele erschien, nach und nach aber immer Rollenspiel-Inhalt bekam. 1984 erschien dann als Sonderausgabe das komplette Rollenspiel "Mega", dass man für 25 Francs an jedem Kiosk kaufen konnte, was sicher den einen oder anderen neuen Rollenspieler generiert hat.
Diese Strategie hat
Casus Belli ja konsequent weiterverfolgt und immer wieder komplette Rollenspiele als Sonderheft veröffentlicht - im Abstand mehrerer Jahre zwei Mal das
SimulacreS-Universalsystem, mehrere eigenständige
SimulacreS-Genre-Versionen (Cyberpunk, Jules Verne-Steampunk, Fantasy),
Mega III (eben die dritte Edition von
Mega) und sogar
Basic - Chaosiums
BRP.
Casus Belli war der (über weit mehr als ein Jahrzehnt und über 100 Hefte eine Zeitlang sehr erfolgreiche) Versuch, ein Rollenspielmagazin mit den Mitteln (Gestaltung, Vertrieb) eines großen Magazinverlages zu betreiben (vergleichbar der Liga Gruner & Jahr); bei Excelsior sind Sportmagazine und das Jugendmagazin
Science et vie (eine Art
Geo für Kinder) erschienen. Das einzige Mal, das so etwas (meines Wissens nach) außerhalb Frankreichs versucht wurde, war das britische Magazin
Arcane, das nach einem Jahr wieder eingestellt werden musste.
In Deutschland wollte irgendwann um die Jahrtausendwende herum einmal ein Verlag für Stadtmagazine sowas aufziehen, aber der Dummy von
Critical, der an potenzielle Anzeigenkunden verschickt wurde, hat so wenig Resonanz gefunden, dass der Göttinger Verlag noch vor der ersten Ausgabe die Notbremse gezogen hat.
Casus Belli ist das erste mal 1984 erschienen, auch als Fanzine, kam aber dann 1985 auch als Magazin in den normalen Zeitschriftenhandel. Zu den besten Zeiten - Anfang der 90er - hatte CB 100.000 + Leser - so etwas hat es in Deutschland nie gegeben und ich zweifle daran, dass es das je wieder geben wird. Inzwischen ist aber das Internet Dreh- und Angelpunkt der Internetszene - hier bekommt man alles umsonst, wofür man in Magazinen bezahlen muss - Abenteuer. Rezis, Spielmaterial, sogar ganze Rollenspiele. Und das ist halt überall so ... auch in Finnland.
In diesem Sinne ...
Wunderwerk Online 1